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Neuseeland: Indigene wollen Wale zu juristischen Personen machen


Indigene Anführer schlagen Alarm
"Gesang unserer Vorfahren ist schwächer geworden"


Aktualisiert am 05.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ein Buckelwal (Symbolbild): Für viele indigene Völker ein heiliges Tier.Vergrößern des Bildes
Ein Buckelwal (Symbolbild): Für viele indigene Völker ein heiliges Tier. (Quelle: IMAGO/Lifes_Sunday)

Wale könnten bald eine neue Art des Schutzes genießen. Indigene Anführer im Pazifik haben sich dafür zu einer bemerkenswerten Aktion zusammengeschlossen.

Indigene Völker haben eine enge Verbindung zur Natur und betrachten Tiere auch als Vorfahren oder sogar als Verwandte. Ihr Glauben besagt, dass alles Leben miteinander verwoben ist. Sie sehen sich heute als Beschützer ihrer Umwelt.

Dies ist auch bei den Ureinwohnern Australiens und Neuseelands der Fall. Erst im vergangenen Jahr hatte eine Ureinwohnerin Australiens auf dieser Basis erfolgreich gegen die Pläne eines Öl- und Gaskonzerns geklagt, der neue Erdgasfelder im Meer erschließen will. Die geplanten Arbeiten könnten Auswirkungen auf bedrohte Tierarten wie Schildkröten und Wale haben, die für ihre Gruppe von spiritueller Bedeutung seien. Die indigene Aktivistin hatte vor einem Bundesgericht geklagt. (Hier lesen Sie mehr zu dem Fall, in den auch der deutsche Gasriese Uniper verwickelt ist.)

So gelten etwa Wale in vielen indigenen Kulturen als heilig. Überlieferungen der neuseeländischen Māori besagen, dass die Menschen einst auf ihren Reisen über den Ozean von den Tohorā, wie die Ureinwohner Wale nennen, beschützt wurden. Die Tiere waren der Schlüssel zur Entwicklung des Navigationssystems der Māori, denn die Menschen folgten den Wanderungen der Wale von Insel zu Insel.

"Fühlende Wesen und unsere Vorfahren"

Das Meer sei nicht nur eine Nahrungsquelle, "sondern ein lebendiger Vorfahre, ein Wissensspeicher, der über Generationen weitergegeben wird", schreibt die indigene Umweltschützerin Mere Takoko im Umweltmagazin Atmos. Wale seien "fühlende Wesen und unsere Vorfahren", die nicht ausgebeutet, sondern für künftige Generationen geschützt werden müssten.

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Eine neue Initiative von Ureinwohnern aus Neuseeland und Polynesien soll den Schutz von Meeressäugern nun voranbringen. Dafür haben sich Anführer indigener Gruppen aus Neuseeland, Tahiti und den Cookinseln zusammengeschlossen. Sie fordern einen neuen Status für Wale: Die Tiere sollen künftig als juristische Personen anerkannt werden.

Walpopulationen könnten so besser geschützt und Verstöße gegen ihr Wohlergehen mit hohen Geldstrafen geahndet werden. "Dieses bahnbrechende Dokument – ein Zeugnis unserer gemeinsamen Bemühungen – stellt einen Paradigmenwechsel in der rechtlichen Beziehung zwischen Menschen und Walen dar", schreibt Umweltschützerin Takoko über die Initiative. Lelei LeLaulu vom Umweltschutz-Netzwerk "Earth Council Alliance" bezeichnete die Initiative als großen Fortschritt: "Das ist ein riesiger Schritt und ich glaube, dass dies Aktionen in anderen Teilen der Welt anregen wird."

"Der Klang des Gesangs unserer Vorfahren ist schwächer geworden"

Der geforderte juristische Status umfasst, dass Wale wie Personen mit inhärenten Rechten anerkannt werden, wie etwa das Recht auf Bewegungsfreiheit oder auf eine gesunde Umwelt. Würde ein Schiff einen Wal verletzen oder gar töten, würde dies vermutlich mit hohen Geldstrafen verbunden sein. Versicherungen könnten dann etwa bei Kollisionen mit Schiffen von den Eignern verlangen, spezielle Überwachungsgeräte zu installieren.

Unterzeichnet wurde die Erklärung "He Whakaputanga Moana" (Deklaration für den Ozean) von bedeutenden indigenen Führungsfiguren: Māori-König Tuheitia Paki aus Neuseeland und Tou Travel Ariki, der Oberhaupt des Hauses Ariki in den Cookinseln.

Die Unterzeichner zielen darauf ab, schwindende Walpopulationen zu erhalten, marine Schutzgebiete einzurichten und wissenschaftliche Erkenntnisse mit traditionellem Wissen der Māori zu verknüpfen. Die beiden Führer hoffen, dass die historische Vereinbarung Druck auf die Landesregierungen ausübt, die Initiative gesetzlich zu verankern. Sie luden andere polynesische Länder dazu ein, sich ihrem Anliegen anzuschließen. Letztendlich ist die Hoffnung, diesen Status für die Tiere auch internationaler Ebene zu erreichen.

"Der Klang des Gesangs unserer Vorfahren ist schwächer geworden und ihr Lebensraum ist bedroht. Deshalb müssen wir jetzt handeln", erklärte König Tuheitia bei der Unterzeichnung auf der Insel Rarotonga. "Wir können nicht länger die Augen verschließen. Wale spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit unseres gesamten Meeresökosystems. Ihr Rückgang stört das empfindliche Gleichgewicht, das alles Leben in Te Moana nui a Kiwa (Pazifischer Ozean) aufrechterhält. Wir müssen dringend handeln, um diese großartigen Geschöpfe zu schützen, bevor es zu spät ist".

Letztlich sei die Vereinbarung für künftige Generationen, die es verdienten, einen Ozean zu erben, "in dem es von Leben wimmelt und in dem die Gesänge der Wale weiterhin in den Weiten des Meeres erklingen".

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Bei der Aktion handelt es sich nicht um den ersten Vorstoß. So hat Ecuador bereits einen ähnlichen rechtlichen Schutz für Gebiete eingeführt, in denen bedrohte Delfine leben. Zudem gibt es in dem südamerikanischen Land einen gerichtlichen Streit über die Rechtspersönlichkeit eines Affen.

Auch Neuseeland hat hier bereits eine Vorreiterrolle eingenommen; so wurden schon dem Whanganui River eigene Rechte zugesprochen sowie den Urewera-Bergketten und dem Hauraki Gulf Marine Park.

Wale nehmen tonnenweise Kohlenstoff auf

Indigene Anführer betonten in diesem Zusammenhang die Bedeutsamkeit der Wale für einen gesunden Planeten. So ist das Leben eines Wals ist im Kampf gegen die Klimakrise etwa 1,8 Millionen Euro wert. Das rechneten Wirtschaftswissenschaftler des Internationalen Währungsfonds im Jahr 2019 aus.

Die IWF-Wissenschaftler um Ralph Chami gingen für ihre Rechnung davon aus, dass Wale etwa ein Prozent des Phytoplanktonwachstums fördern. Weiterhin besagen Studien, dass ein Wal bis zu seinem Tod – und darüber hinaus – etwa 33 Tonnen Kohlenstoff bindet. Diese Schätzwerte verrechnen sie mit dem aktuellen Kohlenstoffpreis.

Vor allem die großen Walarten, etwa Barten- und Pottwale, lagern in ihren massiven Körpern voller Fett und Protein sowie in ihrem Skelett massenhaft Kohlenstoff ein. Wenn sie sterben, auf den Meeresboden sinken und dann Teil des Sediments werden, landet dort auch der eingelagerte Kohlenstoff. Und er bleibt dort und entweicht nicht in die Atmosphäre, wo er dem Klima schadet.

Verwendete Quellen
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