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Israel schlägt zurück: Lässt der Iran den Nahost-Konflikt eskalieren?


Israelischer Luftschlag gegen den Iran
"Das war ein klarer Schuss vor den Bug"

  • Philipp Michaelis
InterviewVon Philipp Michaelis

19.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Iranische Rakete in einem Manöver: Wie ist der Konflikt mit Iran zu lösen?Vergrößern des Bildes
Eine Rakete vom Typ Nasr: Mit solchen Systemen könnte der Iran auf den israelischen Militärschlag antworten. (Quelle: imago-images-bilder)

Nach dem mutmaßlichen Militärschlag der israelischen Armee gegen Ziele im Iran wartet die Welt gespannt und besorgt auf die Reaktion aus Teheran. Wird sich die Gewaltspirale weiterdrehen?

Noch ist die Lage unübersichtlich, doch Berichte aus der Region legen nahe, dass Israel in der Nacht Vergeltung für den iranischen Großangriff vom vergangenen Wochenende geübt hat. Mit gezielten Luftschlägen wurden offenbar Ziele rund um die Stadt Isfahan getroffen, wo sich unter anderem die iranischen Atomanlagen befinden sollen. Was über den mutmaßlichen Angriff Israels bekannt ist, lesen Sie hier.

In der Logik des Nahostkonfliktes folgt auf diese Reaktion eine erneute Antwort des Iran. Doch die Signale aus Teheran sind noch widersprüchlich. Der Militärexperte Guido Schmidtke sagt: Natürlich hätte der Iran die Mittel, um einen massiven Gegenschlag zu führen. Doch dafür ist umgekehrt auch Israel gerüstet. Welche Konfliktpartei nun welche Signale aussendet, an wen, und welche Szenarien jetzt denkbar sind, darüber hat er mit t-online gesprochen.

Video | Bericht: Israel greift wohl den Iran an
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Quelle: t-online

t-online: Herr Schmidtke, militärstrategisch gesehen, wie bewerten Sie den Angriff nach jetzigem Stand? Mit welchen Waffensystemen hat Israel augenscheinlich zugeschlagen?

Guido Schmidtke: Die Israelis sind in der Lage, den Iran mit ihrem kompletten Portfolio unterschiedlicher Systeme anzugreifen. Das sind Kampfflugzeuge, das sind Drohnen, das sind aber auch Raketen. Aus meiner Sicht ist es naheliegend, dass man dafür Drohnen einsetzt. Israel gehört zu den führenden Drohnennationen und verfügt über Systeme mit unterschiedlicher Ausdauer, Flughöhe und auch Bewaffnung. Außerdem kann Israel auf eine der modernsten Luftwaffen zurückgreifen und hat den Tarnkappenjäger F 35 auch schon in seinem Arsenal. Es kann also durchaus sein, dass man mit diesen hochmodernen Kampfflugzeugen angegriffen hat, die vom gegnerischen Radar kaum aufgeklärt und somit bekämpft werden können.

Warum war gerade Isfahan das Ziel?

Das war ein ganz klarer Schuss vor den Bug. Israel setzt damit ein Zeichen für das Regime in Teheran: "Wir wissen, wo sich Eure atomaren Forschungsanlagen befinden. Und wir sind durchaus in der Lage, sie mit bunkerbrechenden Waffen anzugreifen und Euch auf dem Weg zur Atombombe um Jahre zurückzuwerfen."

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Und warum nur Isfahan?

Israel hätte ja Gründe gehabt, den Iran noch viel massiver anzugreifen. Auf internationaler Ebene kann man nun aber beschwichtigend die Hände heben und deutlich machen: "Wir haben keinen großen, massiven Angriff gegen den gesamten Iran durchgeführt, sondern ausgewählte, präzise Schläge gegen Einzelziele." Das setzt ein Zeichen an den Iran, ein weiteres an die internationale Staatengemeinschaft und auch ein sehr wichtiges Signal der Stärke an die eigene Bevölkerung: "Wir haben Vergeltung geübt, obwohl uns die Kritik der internationalen Staatengemeinschaft und ihre Mahnung zur Verhältnismäßigkeit kaum Mittel dafür übriggelassen haben."

Guido Schmidtke, Militärexperte
Guido Schmidtke, Militärexperte (Quelle: privat-bilder)

Zur Person

Der Militärexperte Guido Schmidtke, Jahrgang 1966, liefert seit Jahren Einschätzungen zu Entwicklungen in Kriegs- und Krisengebieten und produziert Militärdokumentationen für viele Fernsehsender. Er war als TV-Reporter für Pro Sieben, Sat.1 und N24 in fast allen Konfliktregionen der Welt unterwegs, unter anderem als "Embedded Journalist" mit der US-Armee im Irakkrieg.

Was hatte der Iran dem entgegenzusetzen?

Die Flugabwehr des Iran ist im Vergleich zur israelischen antiquiert. Sie besteht weitestgehend aus älteren westlichen, russischen und chinesischen Systemen, ist aber technisch nicht auf westlichem Stand: Die Systeme sind weder computer- und softwarebasiert noch miteinander vernetzt, sondern nur lokal aufgestellt. Heißt: Es gibt keine zentrale Flugabwehr, wie sie zum Beispiel die Nato über ganz Europa gespannt hat oder wie sie auch die Israelis besitzen. Das System ist insgesamt lückenhaft und in die Jahre gekommen.

Nichtsdestotrotz verfügt der Iran über einzelne Abwehrraketen, die auch auf große Distanzen angreifende Flugziele bekämpfen können. 2019 hat der Iran angeblich eine hochfliegende und weitreichende Aufklärungsdrohne vom Typ Global Hawk der Amerikaner abgeschossen. Und das deutet schon darauf hin, dass man in der Lage ist, auch einzelne Hochwertziele zu bekämpfen. Wie das aber bei einem massiven Angriff aussieht, ist schwer zu beurteilen.

Welche Szenarien halten Sie jetzt für möglich?

Natürlich droht jetzt eine Eskalationsspirale, wenn der Iran auf diesen Angriff reagiert. Das Arsenal der iranischen Streitkräfte würde das durchaus hergeben. Die Iraner verfügen über weit reichende ballistische Raketen, über weit reichende Kamikaze-Drohnen und auch über weit reichende Marschflugkörper.

Sind die Israelis noch einmal in der Lage, mit ihren hochgradig modernen Flugabwehrsystemen solch einen Angriff komplett abzufangen?

Höchstwahrscheinlich. Israel steht ja auch nicht alleine da, sondern weiß im Falle eines iranischen Angriffs seine Alliierten an seiner Seite. Vereint wird man relativ sicher den größten Teil anfliegender Flugziele abfangen können – teilweise bevor sie auch nur in die Nähe des israelischen Luftraumes kommen. Die Frage ist: Gibt es irgendwann einen sogenannten Overload? Das hängt davon ab, welche Kapazitäten der Iran hat: Von der schieren Masse unterschiedlicher Angriffsmittel, sprich Raketen, Marschflugkörper und Drohnen. Irgendwann ist selbst das modernste Flugabwehrsystem übermannt, und ein Teil der anfliegenden Flugkörper kann nicht mehr abgefangen werden. In diesem Fall können die Iraner durchaus Ziele in Israel treffen und diese Ziele auch zerstören.

Aber hat der Iran so große Kapazitäten?

Ich glaube es nicht. Beim ersten Angriff haben 300 Flugkörper nicht gereicht, um den "Iron Dome" zu überwinden und wirklichen Schaden anzurichten. Ich vermute, der Iran müsste die doppelte, wenn nicht die dreifache Nummer oder Menge an Raketen abfeuern. Und für die Zukunft würde er sich damit ein bisschen "blank" machen, wenn er jetzt die Arsenale leeren muss.

Der Iran behauptet, der Angriff auf seine Anlagen sei von iranischem Hoheitsgebiet aus erfolgt. Wie wahrscheinlich ist das?

Dass tatsächlich israelische Spezialeinheiten im Iran operieren, würde ich momentan eher verneinen. Denn warum hat der Iran dann seine Flugabwehr aktiviert, die ja gegen externe Ziele arbeitet? Und warum sollte Israel das Risiko eingehen und sogenannte "Boots on the ground", also Soldaten, in den Iran schicken? Israel ist in der Lage, mit seinem weitreichenden Arsenal an Drohnen aus großer Entfernung anzugreifen. Warum sollte man eigene Menschenleben gefährden?

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Warum hat der Iran möglicherweise ein Interesse, diesen Eindruck dennoch zu erwecken?

Die Behauptung scheint mir Propaganda zu sein. Das soll die Defizite der eigenen Flugabwehr kaschieren. Das Regime will davon ablenken, dass es nicht in der Lage war, diesen sehr begrenzten israelischen Angriff zu verhindern. Zudem kann der Iran mit dieser Behauptung die eigene Bevölkerung auf einen möglicherweise eskalierenden Konflikt einstimmen und den "nationalen Zusammenhalt" verstärken. Man skaliert die Lage medial nach oben: "Wir werden angegriffen, israelische Soldaten befinden sich schon im Iran – seid alarmiert und steht zusammen gegen den Aggressor!"

Verwendete Quellen
  • Interview mit dem Militärexperten Guido Schmidtke
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